Diejenigen, die durch das Fernsehen zum Poker spielen gekommen sind, werden sicherlich schon oft etwas vom Blindstehlen gehört haben. Im TV sieht es häufig ganz einfach aus: Ein Spieler erhöht am Button und alle folden. Er gewinnt die Blinds. Für die meisten Poker-Spieler ist es immer eine Einladung mit dem Button und einer Schrotthand vor der Nase die Blinds zu stehlen. Oft gelingt es, aber es gibt gute und schlechte Stehlversuche.
Der Klassiker
Blindstehlen ist in Limit Hold’em Poker sehr interessant, da diese einen relativ großen Anteil am Gesamtpot ausmachen. In No Limit Cash Games macht es keinen Sinn, da die Stacks normalerweise hundert Mal größer sind als die Blinds. In No Limit Pokerturnieren steigen die Blinds und erreichen irgendwann eine Höhe in der sie einen signifikanten Anteil am Stack ausmachen. Dann lohnt es sich die Blinds abzugreifen und Blindstehlen ist immer eine Option, die in Betracht gezogen werden soll.
Der klassische Stehlvorgang beim Poker ist die Erhöhung vom Button aus, wenn alle gefoldet haben. Vom Button hat man Position und nur noch zwei Spieler hinter sich. Diese brauchen eine relativ gute Hand, da sie die restlichen Runden out of Position agieren müssen. Des weiteren reagieren sie schließlich auf einen Raise und müssen einen guten Anteil an ihren Chips aufs Spiel setzen. Kurz gesagt sind die Anforderungen der Blindspieler an ihre „Gegenwehrhände“ relativ hoch, während der Button eine sehr breite Palette von Händen haben kann.
Voraussetzungen fürs Blindstehlen
So schön es auch klingt: Es funktioniert nicht immer und überall. Manchmal funktioniert es auch überhaupt nicht! Um beim Blindstehlen Erfolg zu haben, müssen die Gegner auch die starke Hand abkaufen. Wenn sich die vermeintlichen Stehlopfer denken, dass hier jemand den Tyrannen am Poker-Tisch spielen möchte, dann hat ein Stehlversuch nur geringe Chancen auf Erfolg.
Der Gegner zum Blindstehlen
Ziel des Steals ist es die oder den Gegner zum folden zu bringen. Bei einem Gegner, der nicht folden kann, macht ein Stehlversuch keinen Sinn. Gegner, die abwesend sind oder unglaublich tight spielen, sind selbstverständlich erstklassige Opfer. Es geht einfach um die Spielertypen. Je tighter der Gegner, desto besser und je looser der Gegner, desto schlechter.
Als Richtlinie gilt hier, dass ein Poker-Spieler in den Blinds mit etwa den besten 25 % aller Hände callen darf (das sind grob gesagt 66+, A2s+, K6+, QT, usw.). Sind die Blinds looser und callen mit eindeutig mehr Händen, so neigt der Blindstehl mit den schwächsten Händen dazu unprofitabel zu werden.
Die Stacks
Die goldene Blindstehl-Regel heisst hier: „Medium Stacks, gut und recht, Shorties und Bigs mehr als schlecht!“
Short Stacks sind gefährlich, da diese unter Druck stehen und meist nur noch eine Antwort auf Lager haben: Allin. Sie sind verzweifelt und suchen nach einer Möglichkeit ihr Turnierleben aufs Spiel zu setzen. Es gibt aber tatsächlich Shortstacks, die unglaublich tight sind und alles geben um nicht aus dem Poker-Turnier zu fliegen. Sie folden und folden bis sie schließlich automatisch allin gesetzt werden. Selbstverständlich sind das keine schlechten Gegner für einen Blindstehl.
Für „normale“ Shortstacks gilt es allerdings einen Stehlversuch mit den schlechtesten Händen wie J2, 84, T3 usw. zu unterlassen. Wichtig ist hier auch wie short die Shortstacks eigentlich sind.
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Angenommen der BB hat 1000 bei Blinds von 100/200, der SB 3000 und der Button 3600. Der Button raised auf 600, der SB folded und der BB geht allin. 1700 sind im Pot und 400 zu zahlen. Bei mehr als 4:1 Pot Odds ist das ein einfacher Call, unabhängig von der Hand. Allerdings sollte der Button in dieser Chipkonstellation eine relativ gute Hand wie 65s, K6, A2, 33 oder sowas in der Richtung haben. Er riskiert nämlich 1000 um 300 zu gewinnen und damit fast ein Drittel seines Stacks! Das muss nun wirklich nicht sein, nur um einen kleinen Betrag von 300 stehlen zu wollen. Es gibt hier zwei Grenzen. Die eine ist durch das Stackverhältnis von Button vs. Shortstack festgelegt. In unserem Fall beträgt dies nur 3,6:1, was nicht sonderlich groß ist. Harrington’s 10:1 Rule besagt, dass mit jeder Hand gecallt, oder der Shortstack allin gesetzt werden sollte, wenn der eigene Stack zehnmal so groß ist wie der des Gegners. Befinden wir uns in der obigen Situation, nur mit einem Stack von 10 000, so kann mit fast jeder Hand ein Blindangriff erfolgen und auch ein Call, falls der BB allin geht. Ein Verlust würde dem Stack des Buttons keinen nennenswerten Schaden zufügen. Das ist die untere Grenze.
Die obere Grenze ist der Übergang vom Short- zum Medium Stack, welche man bei 10 BB ansiedelt. Hätte der BB im obigen Fall 2000 und der Button 10 000 in Chips, so wären die Pot Odds für den Button nicht unbedingt gut und er kann ohne Probleme folden. Der BB hat zwar wenige Chips, aber er ist nicht verzweifelt! Das ist der feine Unterschied beim Poker.
Medium Stacks sind das ideale Ziel beim Blindstehlen. Sie befinden sich immernoch im Rennen das Poker-Turnier zu gewinnen und möchten ihre gute Ausgangsposition nicht in marginalen Situationen aufs Spiel setzen. Es gilt diese Spieler anzugreifen und sie ununterbrochen vor schwierige Entscheidungen zu stellen.
Es gibt zwei Sorten von Big Stacks: Einmal Monster Big Stacks, die wesentlich mehr Chips haben als der Stehler und zum zweiten Big Stacks, die im Vergleich zum Durchschnittsstack vorne liegen, aber in etwa soviele Chips haben wir der Stehler. Letztere sind wie die Medium Stacks ein gutes Opfer, erstere allerdings nicht. Diese haben zuviele Chips, als dass sie Probleme bekämen mit schwachen Händen nach einem Buttonraise zu callen.
Das Image beim Blindstehlen
Das eigene Image am Poker-Tisch ist natürlich auch nicht zu vernachlässigen. Wer ununterbrochen Blinds stiehlt und wieder und wieder erhöht, wird irgendwann nicht mehr ernst genommen und seine Raises bekommen keinen Respekt mehr. Ein Spieler, der hingegen seit 20 Minuten keine Hand mehr angefasst hat und plötzlich zu raisen beginnt, der bekommt Respekt und seine Gegner schrauben ihre Anforderungen deutlich nach oben.
Es hat auch etwas mit Creating an Image zu tun. Mittlerweile ist es z.B. bei Online Sit and Goes Standard anfangs tight zu spielen und bei höheren Limits zu loose und aggressiv zu wechseln. Die Gegner schätzen diesen Spieler auf sehr tight ein und zollen ihm sehr viel bzw. zuviel Respekt.
Es ist etwas Arbeit sich ein Poker-Image aufzubauen und es auszunutzen. In den meisten Situationen ist es allerdings sehr profitabel und erlaubt einem mit vielen Steals davonzukommen.
Der neue Button am Poker-Tisch
Der Buttonraise ist mittlerweile schon so eingefleischt, dass jeder weiß worauf er hinausläuft: nämlich auf einen Blindangriff. Viele Spieler greifen aus diesem Grund die Blinds lieber vom Cut-Off, also eins rechts vom Button an. Das sieht nicht unbedingt nach einem 08/15 Stehlversuch aus, sondern eher nach einem Value-Raise.
Es gibt allerdings zwei signifikante Unterschiede, die die Anforderungen an eine Stehlhand heraufsetzen:
1) Es sind drei Spieler zu bewältigen und nicht nur zwei
2) Der Button hat Position und damit relativ niedrige Anforderungen an eine Call-Hand
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Blind vs. Blind
Sitzt man nun im Small Blind und hat nur noch den Big Blind im Pot, so stellt sich immer die Frage, ob man einen Angriff wagen soll oder nicht. Grundsätzlich hängt dies von den oben genannten Faktoren ab, wobei die Stehlhände etwas hochwertiger sein sollten. Der Grund hierfür ist die nicht vorhandene Position nach dem Flop. Stiehlt man am Button und wird gecallt, so sieht man was der Blind nach dem Flop veranstaltet. Aus dem SB heraus muss man checken, was eine Einladung für den BB ist sich den angewachsenen Pot zu stehlen, oder etwas setzen und das ohne Informationen vom BB erhalten zu haben. Das kann eine teure Angelegenheit werden, deswegen sollten die Stehlhände irgendwie ausbaufähig sein und Potential haben.
Trap Call im Small Blind
Dieser Ansatz gefällt mir persönlich sehr gut und ich mixe ihn mit allen anderen Möglichkeiten. Zu einem Drittel die schwachen/unterdurchschnittlichen Hände einfach folden. Zu einem anderen Drittel erhöhen und zum dritten Drittel einfach nur callen mit der Absicht gleich am Flop anzuspielen, egal wie dieser aussieht. Dieser Trap Call sieht für den BB oft etwas mysteriös aus, ganz so wie ein Slowplay. Deswegen ist ein Raise vom BB eher unwahrscheinlich. Er braucht hierfür schon eine starke Hand ein man investiert nur einen halben Blind, nichts weiter.
Außerdem ist dieser Zug nicht so offensichtlich wie der standard Raise aus dem SB heraus. Trifft der Gegner irgendwie den Flop, was seltener ist als ein Treffer, so wird er nach einem unmittelbaren des SB trotzdem folden, da dieser eventuell eine starke Hand verschleiern möchte bzw. einen Reraise vor dem Flop induzieren wollte, oder den Flop getroffen hat und am Turn weiterfeuern wird.
Richtig angewendet ist der Trap Call ein sehr effektiver Zug und eine willkommene Abwechslung zum einfachen Standardraise.
Verteidigung gegen den Blindangriff
Es gibt drei Arten von Händen:
1) Absolute Trash-Hände
Diese sollten einfach weggeworfen werden. Egal wie oft der Button stiehlt, er callt aufgrund der Pot Odds und seiner Position recht häufig. Mit 62o hat man sogut wie keine Chance nach dem Flop und investiert eine Menge Chips nur um einen Blind zu verteidigen. In den allermeisten Fällen einfach folden und auf die nächste Hand warten.
2) Mittelmäßige Hände
Das sind Hände wie JT, 66, A2, K8 usw. Diese sind zu stark zum folden, aber sozusagen auch zu schwach um zu callen. Gegen eine übliche Buttonraise Hand Range liegen sie in Führung, spielen sich aber nach dem Flop out of Position nicht unbedingt leicht. Erst recht kleine Pärchen und Asse. Mit einem Reraise spielt man hier einen Semi-Bluff, der durchaus ein Value-Raise sein kann. Womöglich ist A6 hier die beste Hand, allerdings möchte man den Pot vor dem Flop beenden. Bei einem Call ist die Hand allerdings ausbaufähig. Aggression ist hier der Schlüssel zum Erfolg.
3) Stärkere Hände wie TT, AA, AQ, KQs usw. sind stark genug um sie langsam zu spielen. Natürlich ist ein Reraise immer eine Möglichkeit, deswegen sollten beide Züge abgewechselt werden.
Es ist keine Schande zu folden, auch wenn man weiß, dass der Gegner stiehlt, solange man absoluten Mist auf der Hand hat.
Der Resteal
Ein riskanter, aber häufig lohnenswerter Zug. Ich persönlich neige nicht dazu mich in ihn zu verlieben, aber manche tun es und können nicht davon lassen. Ein Resteal ist ein Reraise mit einer schwachen Hand nach dem Read, dass der Gegner selbst nur stehlen will. Es gibt natürlich mehr Chips zu gewinnen (Blinds + Raise), allerdings ist auch ein deutlich höherer Betrag für den Reraise aufzubringen. In Turnieren ist der Resteal dennoch sehr wichtig und mächtig, da somit einige Chips akkumuliert werden können. Während der normale Steal ein Low-Risk-Low-Reward Ansatz ist, so liegt dem Resteal ein High-Risk-High-Reward Ansatz zu grunde.
Hat man den verlässlichen Read, dass ein Gegner stiehlt, so braucht man nichts weiter als Cojones um den Reraise durchzuführen.
Bei Blinds von 100/200 erhöht der Button auf 600, der BB glaubt der Button würde stehlen und erhöht auf 1800. Damit gibt er sich selbst gerade einmal 1:2 Pot Odds! Er riskiert doppelt soviel, als er gewinnen kann. In einem Cash Game würde der BB schneller pleite gehen als er die Chips in die Mitte schieben kann.
Dieses schlechte Verhältnis ist dennoch in vielen Fällen profitabel. Zum einen muss die Wahrscheinlichkeit natürlich relativ hoch sein, dass der Button stiehlt und, dass er folden kann. War der Button bisher eher tight und passiv, so wäre ein Resteal herausgeworfenes Geld.
Zum anderen gibt es noch ein Spiel nach dem Flop. Auch gegen die Raise-Call-Range vom Button (sprich Hände mit denen er raised und den Reraise vom BB callt) hat eine vernünftige Hand Equity und kann gewinnen. Dieser Semi-Bluff ist deswegen häufig profitabel, auch wenn die Pot Odds etwas anderes verraten.
In No Limit Poker-Turnieren ist vor allem eine Eigenschaft unersetzlich um erfolgreich zu sein: Waghalsigkeit!
Wer sein Turnierleben nicht aufs Spiel setzen kann, wird keinen Erfolg haben. Wer spielt um sich irgendwie ins Geld zu folden wird keinen Erfolg haben. Wer sich bei jedem Raise schon im inneren Auge vom Tisch aufstehen sieht, wird keinen Erfolg haben.
Der Resteal ist ein solches waghalsiges Manöver. Im Poker-Turnier geht es aber darum Chips zu akkumulieren und das muss auch an Stellen geschehen, die waghalsig und selbstmörderisch erscheinen mögen.
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