Beim online Poker geht es nicht nur darum die offensichtlichen und einfachen Situationen, sondern vor allem die kniffligen und engen Entscheidungen zu meistern. Man sagt sogar, dass genau hier der Unterschied zwischen guten und großartigen Spielern liegt. Profis wie Tom Dwan verstehen es wie sie am River noch eine Bet mit minimal positivem Erwartungswert bringen können, verglichen zu einem Check. Gleiches gilt natürlich für einen Raise am River verglichen mit einem Call wobei diese Situation weit weniger häufig vorkommt.
Wenn man sich die Situation einmal vorstellen möchte: Du hast vor dem Flop geraist, ein Spieler hat gecallt, der Flop bringt Top Pair mit schwachem Kicker, du bringst eine Continuation Bet, dein Gegner callt, der Turn ist eine Blank – Check-Check und auch der River ist eine Blank, dein Gegner checkt und du bist an der Reihe. Die meisten Spieler würden einfach checken und sich den Showdown ansehen. Das ist nicht blöd, denn die Überlegung ist meistens: welche Hände callen noch, die ich schlagen kann? Man geht lieber auf Nummer sicher und riskiert nicht mehr als nötig. Aber was wäre wenn sich aufgrund der Hand Range des Gegners eine Situation mit leicht positivem EV ergäbe, sagen wir mal +5 bei einem Pot von 40. Das ist nicht viel, aber immerhin +EV. Warum sollte man diese Situation auslassen?
Es ist natürlich völlig legitim sie auszulassen und zwar aus folgendem Grund: Der EV ist im Verhältnis zum Einsatz relativ gering. Stell dir vor du musst 1000 Euro setzen um einen EV von 1 Euro zu bekommen. Und jetzt stell dir vor du musst gar nichts setzen um einen EV von 0 Euro zu haben. Ist es dir wert 1000 Euro zu riskieren für nur einen Euro an EV? Hierauf kann es keine allgemeine Antwort geben weil sie von der Risikoneigung des Spielers abhängt. Normalerweise sind Menschen Risiko avers und vermeiden daher das Risiko. Sie fühlen sich wohler in Situationen wo sie dem Risiko aus dem Weg gehen können. Das ist ganz natürlich, allerdings sollte man sich beim Pokern und gerade beim online Poker wo man in kürzester Zeit unzählige Hände spielen kann nur am Erwartungswert orientieren. Das hört sich zwar stupide an, aber es ist genau die richtige Einstellung, die man braucht um langfristig erfolgreich zu sein. Man muss zwar auch davon ausgehen im Laufe der Zeit sehr viele Hände zu spielen, aber das ist ohnehin einmal vorausgesetzt wenn man erfolgreicher Pokerspieler werden möchte.
Man muss sich also fragen was man tun kann damit man profitabler spielt und am River keine Einsätze mit dünnem EV auslässt. Zunächst einmal muss man herausfinden wo man im Moment steht und das ist alles andere als einfach. Da es sich um eine sehr komplexe Größe handelt, ist es schwer herauszufinden wie hoch der EV bei einem Einsatz legen würde. Das beste ist immernoch Hände in bestimmten Pokerforen zu diskutieren und sich mit anderen guten Spielern auszutauschen und konkret zu fragen: “Hättet ihr noch eine Value Bet gebracht oder nicht?”.
Allerdings ist es so, dass wegen der Risikovermeidung der meisten Spieler tendenziell zu wenige Value Bets gebracht werden. Das heißt, es werden definitiv Situationen ausgelassen wo man noch Wert heraus schlagen könnte. Und du erinnerst dich sicherlich auch an einige Hände wo du dir überlegt hast noch einen Einsatz zu bringen, dich aber trotzdem gegen einen Einsatz entschieden hast. In Zukunft kannst du an solche Situationen herangehen und dir denken einfach mal einen Einsatz zu bringen. Denn wenn du überlegst, ist es ohnehin eine knappe Entscheidung und da du weißt, dass du offensichtlich zu selten solche dünnen Einsätze bringst, kann es nicht schaden es zu riskieren. Natürlich solltest du nicht anfangen jetzt ständig am River zu betten wenn du glaubst dass der Einsatz einen positiven EV haben könnte. Allerdings solltest du dir jede Situation gut durch den Kopf gehen lassen und analysieren. Das Wichtigste ist diesen “inneren Schweinehund” zu bekämpfen, der dir sagt lieber keine Bet mehr zu bringen, weil er schließlich raisen könnte und du dann in einer schwierigen Situation bist.
