Zum Ende eines SnGs kommt es nur noch darauf an alle seine Chips in die Mitte zu schieben, wenn man einen positiven Erwartungswert hat. Das Independent Chip Model liefert eine mathematisch einwandfreie Analyse solcher Situationen. Ein wichtiger Faktor bei einer Push-Entscheidung bzw. beim Call eines Pushes ist die gegnerische Hand Range. Viele Spieler tappen im Dunkeln und tippen einfach mal ins Blaue. Mit diesem Artikel möchte ich Werkzeuge in die Hand legen, die das Abschätzen der gegnerischen Hand Range erleichtern.
Tendenzen
Zuerst einmal gibt es Tendenzen, die sich aus früheren Situationen ergeben. Hierbei gibt es genau zwei Richtungen: loose und tight.
Dieses Modell geht davon aus, dass der looseste Spieler eine Randomhand hat, der tighte jedoch nur 1 % der besten Hände, nämlich AA und KK.
War ein Spieler bisher hyper aggressiv und hat mit absolutem Trash jeden Pot angegriffen, so ist er von der Tendenz loose. Ein Spieler, der sich bisher zum Bubble gefoldet hat, ist sicherlich sehr tight, bzw. unser tightes Extrem. Diese Tendenz ist allerdings nur zu verwenden, wenn die Beweiskräfte bisher mangelware sind und z.B. die erste Hand am Bubble gespielt wird. Im Zweifel jedoch für den Angeklagten! Das bedeuted, dass wir lieber mit einer tighten Pushrange rechnen sollen, anstatt eine loose anzusetzen.
Selbiges gilt natürlich für die Callrange. Ein bisher sehr tighter Spieler wird kaum am Bubble mit Any Two seinen Blind verteidigen. Genauso tendiert ein looser Spieler zu einem Call, außer er hat Bubble-Angst und möchte nicht vorm Geld rausfliegen.
Pushes in Prozent
Mit den Tendenzen ist es möglich die grobe Richtung anzugeben, aber nicht mehr. Pusht ein tighter Spieler am Bubble, so sollte auch eine tighte Hand Range angesetzt und etwa AA – TT, AK und AQ erwartet werden.
Eine sehr gute, aber langwierige Beweisführung ist die quantitative Analyse des Pushes. Sagen wir der Gegner sitzt im SB, sieht zwei Folds und pusht. Der BB folded. Nächste Runde sitzt er schon wieder im SB und pusht als first in, die Runde darauf nochmal. Nun ergibt das eine Push Range von 100 % im SB als first in. Um den Zufall nicht ganz auszuschließen (er könnte ja dreimal AA bekommen haben), sollten etwa 90 % der Hände angenommen werden:
Alles außer: 83o, 73o, 63o, 43o, 92o – 32o.
Selbes gilt natürlich für andere Positionen. Es muss nur darauf geachtet werden was er in den jeweiligen Situationen macht, die Hand, die er zeigt ist erstmal irrelevant, va weil wir sie nicht oft zu sehen bekommen.
Sitzt ein von der Tendenz tighter Spieler am Button, sieht einen Fold vor sich und folded, die nächste Runde folded er wieder am Button, bis er beim dritten Mal pusht. Von der Quantität ergibt das 1/3, wegen seiner tighten Tendenz ist aber anzunehmen, dass es weniger als 33 % der besten Hände sind. 25 % sollte eine gute Annahme sein:
66+,A2s+,K6s+,Q8s+,J8s+,T8s+,A7o+,K9o+,QTo+,JTo
Handelt ein Spieler mit looser Tendenz so, dann sind 40 % der Hände nicht verkehrt. In den beiden Fällen hat er wohl Hände außerhalb dieser Range erwischt, was ohne Probleme möglich ist.
Bei Callranges hingegen ist eine quantitative Analyse nicht nötig, da der Spieler ohnehin die Karten herzeigen muss. Das bringt uns zur …
Qualitative(n) Analyse
Hierbei werden einzig und allein die gezeigten Hände ausgewertet. Natürlich ist das die glaubwürdigste Beweisaufnahme und gibt uns eine sehr, sehr gute Vorstellung der jeweiligen Hand-Ranges. Leider passiert dieser Showdown nicht allzu oft, so dass die Tendenzen und die quantitative Analyse mindestens genauso wichtig sind. Denn häufig läuft man in eine falsch angelegte Hand-Range, schüttelt den Kopf und fragt sich wie man auf diese Range hätte kommen können, wenn man keinen Showdown zu Gesicht bekommt.
Es ist im Prinzip eine sehr einfache Übung:
Der Button pusht, der BB callt. Button zeigt A2o, der BB 55, Ausgang irrelevant.
Die Hand-Range vom Button sieht wie folgt aus:
43 %, also: 44+,A2s+,K2s+,Q4s+,J6s+,T7s+,97s+,87s,A2o+,K6o+,Q8o+,J8o+,T8o+
BB’s Range ist folgende:
55+,A2s+,K6s+,Q8s+,J8s+,T8s+,A7o+,K9o+,QTo+,JTo (= 25,6 %)
Dem aufmerksamen Leser dürfte hier aufgefallen sein, dass die Ranges der tighteste Ansatz ist. Wenn der Button mit A2o pusht, warum nicht auch mit J5o? Hier gibt es nichts einzuwenden und es ist durchaus möglich, dass die Range breiter ist, allerdings bewahrt das ansetzen der tightesten Range vor größeren Fehlern. Würden wir bei einem Showdown KK zu Gesicht bekommen und davon ausgehen, dass die Range sicherlich nicht AA und KK, sondern wesentlich breiter ist, so besteht viel Raum für teure Fehler.
Pusht der Button aus dem obigen Beispiel in der nächsten Hand mit 83o, so können wir ihn auf Any Two setzen. Die Annahme mit den 43 % der besten Hände zu rechnen war allerdings korrekt, muss nach dem 83o-Push allerdings angeglichen werden.
Komplette Beweisführung
Nun haben wir drei Analysemöglichkeiten vorliegen. Die qualitative liefert die besten Ergebnisse. Sie ist absolut verlässlich und nicht vom Zufall abhängig. Die quantitative Analyse und unsere Tendenzen geben nur eine Richtung an und müssen in dem Fall herhalten, wenn noch keine Showdowns vorliegen. Sehen wir einen Spieler aus der jeweiligen Position zum dritten Mal in Folge pushen, er war bisher loose und zeigt beim dritten Push AQo, so ist seine Range sicherlich nicht AQ und besser, sondern wohl Any Two bzw. nahe bei Any Two. So beeinflussen die ersten beiden Beweisführungen die Hand-Ranges.
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