Wenn ein Raise vor dem Flop schon Stärke symbolisiert, was kann man dann von einem saftigen Reraise sagen. Dieser steht meist für eine richtige Premiumhand Buben, Ass König suited oder besser. Um auf solch einen Reraise antworten zu können, benötigt man demnach wiederum eine noch viel stärkere Hand. Die Hand-Ranges sind demnach sehr schmal und es ist sehr unwahrscheinlich dass die Spieler nach diesem Verlauf nicht-Premiumhände zeigen.
Wenn also ein Reraise vor dem Flop so mächtig ist, warum dann nicht das ein oder andere Mal einen Bluff spielen? Nur die wenigsten Spieler haben „Eier“ einen Preflopraiser mit einer schwachen Hand zu reraisen nur um Druck auf den Raiser und die nachfolgenden Spieler auszuüben. Wer aber solche Züge machen kann, wird sicherlich das ein oder andere Mal einen Erfolg verzeichnen.
Welche Voraussetzungen müssen aber gegeben sein, damit solch ein Reraise als Bluff funktionieren kann? Am besten sucht man sich einen sehr loosen Raiser, der also viel erhöht, aber nur ungerne auf gegnerische Aggressionen reagiert. Er liebt es zu agieren, mag es aber nicht in der Defensive zu sitzen und nur zu callen. Diese Spieler machen einen ersten Raise mit einer breiten Palette an Händen, ziehen sich aber zurück wenn es ein Gegner ernst meint und das zum Beispiel mit einem ordentlichen Reraise zeigt. Foldet der Gegner nur ungerne, so ist die Wahrscheinlichkeit nicht hoch genug ihm mit einem Reraise den Pot zu stehlen. Auch sehr tighte Spieler sind kein gutes Ziel für einen solchen Angriff. Wenn sie sich dazu entschlossen haben eine Hand zu spielen, geben sie meist nicht ohne weiteres auf. Das Verhältnis an Raisehänden und Händen mit denen ein Reraise gecallt wird ist nicht sonderlich hoch. Entschließt er sich mit ohnehin schon einem geringen Prozentsatz an Händen zu raisen, so callt er auch gerne noch einen Reraise oder pusht sogar zurück.
Wichtig ist genau dieses Verhältnis der Hände die geraised und gecallt werden. Angenommen Spieler A erhöht mit AT und 88 oder besser aus früher Position, möchte aber nur einen großen Pot mit Premiumhänden wie AA, KK und AKs spielen. Er raised also mit sieben Pocketpaaren und vier ungepaarten Händen, callt aber nur mit drei Händen. Das Verhältnis beträgt demnach ca. 7:1.
Spieler B raised nur mit AQ und TT und besser, callt nur mit AA, KK und AKs. Sein Verhältnis beträgt 7:3. Das sagt uns nun, dass die Wahrscheinlichkeit größer ist Spieler A mit einem Reraise zum folden zu bringen als Spieler B. Ersterer foldet verhältnismäßig mehr Hände und die Wahrscheinlichkeit, dass mit einem Reraise der Pot gewonnen werden kann, ist höher.
Ein weiterer wichtiger Faktor, dass ein Reraise den Gegner zum folden bringen kann sind die Stackgrößen. Hat der ursprüngliche Raiser sowenige Chips, dass ihn ein Reraise allin setzen würde, so kann dieser schon committed und nicht mehr aus der Hand zu vertreiben sein. Außerdem ist es möglich, dass der Call eines Reraises den Raiser committen würde und er -wenn er sich entscheidet die Hand nicht aufzugeben- mit einem weiteren Allin-Raise die Setzrunden zu Ende bringen möchte. Es ist gut möglich, dass man nach diesem gescheiterten Reraiseversuch so gute Pot Odds bekommt, dass ein Call fast Pflicht ist. In diesem Fall riskiert man nicht nur den Betrag des Reraises, sondern den Betrag der gegnerischen Chips.
Die besten Voraussetzungen für einen Bluff Reraise sind tiefe Stacks. Je mehr Chips der Gegner zur Verfügung hat, desto weniger steht er unter Druck. Er muss sich nicht auf großartige Raisekriege einlassen und kann sich aus Situationen, wo er nicht weiß ob er in Führung liegt, heraushalten. Andererseits kann er soviele Chips haben, dass es ihm egal ist. Diese verschwenderischen Big Stacks sind aber leicht ausfindig zu machen und sollten gar nicht als Zielobjekt in Frage kommen.
Der Mittelweg ist der richtige: Mehr Chips als dass der Spieler schon alle Chips vor dem Flop committen möchte und weniger Chips als dass er dazu tendiert sich möglichst viele Flops zu leisten.
Die untere Grenze liegt schätzungsweise bei einem gegnerischen Anfangsstack von etwa 30 Big Blinds. Mit diesem Stack ist er noch nicht dazu gezwungen alle Chips zu setzen und wird vor eine schwierige Entscheidung gestellt. Er weiß, dass er -wenn er den Reraise nur callt- gut ein Drittel seiner Chips setzen muss. Am Flop, oder spätestens am Turn muss er allin gehen, wenn er weiterspielen möchte. Dieser sogenannte Leverage Effekt ist sehr effektiv, da er nur mit einer potentiellen Gefahr Druck auf den Gegner ausübt. Angenommen ein Spieler floppt das Top Paar mit einem recht schwachen Kicker und bekommt einen Einsatz vor die Füße geknallt. Bereits am Flop muss er sich entscheiden ob er dem Druck eines Turn- und Rivereinsatzes standhalten kann. Die Einsätze an Turn und River sind bisher nur potentiell vorhanden, zeigen aber dem Spieler, dass dieser mehr als nur einen Flopeinsatz riskieren muss um herauszufinden ob seine Hand gut genug ist. Auch der Reraise vor dem Flop stellt den Gegner vor eine solche Entscheidung. Möchte er mit dieser Hand seine ganzen Chips riskieren, nur um seinen Preflopraise nicht aufgeben zu müssen?
Wie wir gesehen haben ist der Reraise in der Tat ein machtvoller Zug, der guten Druck auf die Gegner aufbaut. Was allerdings das große Problem an ihm ist, ist das Risiko und Belohnungsverhältnis. Denn es befinden sich gerade einmal zwei Blinds (eventuell Antes) und ein Raise in der Mitte. Für einen Reraise muss in etwa das dreifache dieses Betrags investiert werden. Das Verhältnis von Risiko (dreifache des Pots) und Belohnung (der recht kleine Pot) ist nicht gerade stimmig und es ist eine recht hohe Wahrscheinlichkeit des Erfolgs eines Reraises nötig um ihn profitabel zu machen. Am besten sucht man sich eine Semibluff Hand, die auch nach dem Flop die Chance auf einen Sieg hat für den Fall, dass man gecallt wird.
Wichtig sind das Verhältnis an Raisehände und denjenigen Händen mit denen der ursprüngliche Raiser einen Reraise callen wird und die Stackgrößen. Wenn diese Voraussetzungen günstig sind, so hat ein Bluff Reraise gute Chancen auf Erfolg. Schauen wir uns aber einmal eine Hand an, bei der das nicht der Fall war:
Am Final Table der European Poker Tour in Kopenhagen mit vielen erstklassigen Spielern und Blinds von 6.000/12.000 und einer Ante von 1.000. Toth erhöht um 21.000 under the Gun, sein Nachbar foldet. Im Pot sind 59.000 und der Schwede Wijk geht mit 218.000 allin, das entspricht einem Raise um 159.000. Im Pot befinden sich jetzt 277.000 und alle folden zum Preflopraiser Toth. Dieser macht einen recht schnellen Call, zeigt KK und sieht, dass er sich gegen Ass Bube von Wijk in sehr guter Position befindet. Am Turn taucht ein König auf und Wijk fliegt aus dem Turnier.
Das Allin mit Ass Bube war sicherlich kein Value Raise, der einen Call gesucht hat, sondern eine Antwort auf die recht zahlreichen Raises von Toth. Wijk hatte ein paar Probleme mit seinem Stehlversuch. Zunächst einmal war der Pot schon recht groß, so dass der ursprüngliche Raiser 1,7:1 Pot Odds bekommt. Dan Harrington schrieb in seiner exzellenten Buchserie, dass er Ass König bei mehr als 1,5:1 Pot Odds nicht foldet. Wenn das Action Dan schon nicht macht, dann wohl auch kein junger, aggressiver Rookie. Das heisst nichts anderes als dass Toth dieses Allin mit besseren Händen als Ass Bube callen wird. So hat Wijk keine gute Ausgangsposition wenn er gecallt wird.
Die Annahme, dass der Preflopraiser mit AQ, AK, TT, JJ, QQ, KK und AA callen wird, sollte gut zutreffend sein. Das sind recht viele Hände, so dass die ursprünglichen Raisehände, die Toth aber bei einem Reraise aufgibt, umso mehr sein müssen. Dieses Verhältnis ist nicht unbedingt günstig.
Wie sieht es mit dem Risiko und Belohnungsverhältnis aus? Wijk riskiert insgesamt 218.000 um 59.000 zu gewinnen, was einem Verhältnis von 3,7:1 entspricht. Auch dieses Verhältnis ist nicht unbedingt berauschend.
Ein weiteres Problem ist der Allin Move selbst. Dieser ist lange nicht so beeindruckend wie ein gleich hoher Raise mit tieferen Stacks. Grund hierfür ist der erwähnte Leverage Effekt. Der Gegner kann bei einem Allin einfach callen und sieht alle Karten ohne für diese noch etwas bezahlen zu müssen. Angenommen beide Spieler hätten weit über 1.000.000, so wäre ein Reraise auf 218.000 weit mächtiger gewesen als ein Allin mit 218.000. In diesem Fall hätte es jedoch keinen Unterschied gemacht, aber Wijk hätte mehr Druck auf die schwächeren Hände von Toth aufbauen können.
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