Ich möchte hier gleich mit einer sehr interessanten Hand einsteigen:
Heads-Up NL Hold’em SnG $ 5 Buy In. Blinds 10/20, Stacks etwa gleich bei 1000
Spieler A erhöht auf 40 vom Button, Spieler B callt.
Flop: Ad Qh 9c
Spieler B checkt, Spieler A setzt 40, Spieler B callt.
Turn: 5h
Spieler B checkt, Spieler A setzt 100, Spieler B callt.
River: 5s
Spieler B checkt, Spieler A setzt 100, Spieler B callt.
Spieler A zeigt 47, Spieler B T8 und gewinnt den Pot.
Manche fragen sich hier bestimmt welche zwei Fische so einen Mist gespielt haben? Der eine Fisch war wirklich ein ganz dicker, der andere war ich! Auch wenn diese Hand schon etwas länger zurück liegt, konnte ich damals durchaus schon gut spielen und war gerade dabei die Heads-Up SnGs hochzugrinden.
Um es gleich aufzulösen: Ich war Spieler B und gewann diesen Pot mit Ten high gegen 4 Bullets! Warum habe ich hier wie ein Fisch mit einer absolut schlechten Hand alles gecallt? Es lag nur an meinem Gegner, an dessen möglichen Händen und an Pot Odds!
Der Gegner, nennen wir ihn Hans hat mit JEDER Hand diesen Minraise aus dem Button gemacht, deswegen kann ich hier mit JEDER Hand callen. Nach dem Flop hat er JEDESMAL diesen kleinen Einsatz gemacht, unabhängig davon ob er ihn getroffen hat oder nicht. Auch am Turn und River hat er weiterhin (relativ klein) gesetzt, egal mit welcher Hand. Zusätzlich hatte er die Tendenz jede irgendwie gemachte Hand langsam zu spielen. Z.B. hätte er ein Ass am Flop gechekt, einen Drilling oder Two Pair sowieso. Kurzum konnte er ausnahmslos ALLES haben. 23, 55, T6 oder eben 47.
Das bedeutet, dass alle zwei Karten zu seiner Hand-Range gehören. Alle Hände, die ein Spieler haben kann werden in einer Range von Händen ausgedrückt. Erhöht ein sehr tighter Spieler vor dem Flop UTG, dann ist eine Hand-Range von [AA, KK, QQ und AK] eine vernünftige Annahme. Ein looser Spieler hat eine wesentlich breitere Hand-Range z.B. [AA, KK, QQ, JJ, TT, 99, 88, 77, AK, AQ, AJ, AT, A9, KQ]. Ein extremer Maniac, der mit allen Händen erhöht hat entsprechend eine weitaus breitere Hand-Range: [Any 2, sprich alle Hände]
Unser Fisch von oben hatte genau diese Hand Range. Deswegen war es ein sehr einfacher Call mit T8. Nach dem Flop bekomme ich 3:1 Pot Odds. Gegen Any Two bin ich aber bei diesem Flop zu 44 % in Führung! Würde mein Einsatz 44 % des Pots betragen, wäre es eine Even Money Situation und ein Call wäre nicht verkehrt!
Am Turn habe ich immernoch 33 % Siegchancen. Das heisst nichts anderes als dass ich jedes dritte Mal gegen eine x-beliebige Hand am River der Sieger sein werde! Er gibt mit 2,6:1 Pot Odds, 2:1 würde ich benötigen (weil meine Odds zu gewinnen auch 2:1 betragen), deswegen ein einfacher Call.
Die 5 am River ist eine gute Karte. Wenn ich am Turn noch in Führung war, bin ich es auch weiterhin. Hier habe ich noch Gewinn-Odds von 3:1, er gibt mir aber 4,6:1 Pot Odds! Das ist ein ganz einfacher Call. Ich muss etwa nur jedes fünfte Mal gewinnen um diesen Call profitabel zu machen. Gegen Any 2 gewinne ich aber jedes vierte Mal!
Danach musste ich mir natürlich anhören, dass ich cheate und irgendwie seine Karten gesehen hätte. Aber das war wirklich nicht nötig…
Beim Pokern geht es nicht darum welche Hand der Gegner wohl hat, sondern welche Hand-Range dieser hat. Ein häufiges Problem ist folgendes:
Wir erhöhen vor dem Flop mit KK in später Position, der Big Blind, ein aggressiver Spieler callt, der Flop kommt: Ad 7d 4h
Der BB spielt sofort den Pot an.
Viele Spieler mit KK denken hier nicht lange nach und kommen schnell zu dem Entschluss, dass er das Ass haben MUSS! Da der Spieler aber aggressiv ist, wissen wir, dass er mit vielen Händen den Pot mit so einer Erhöhung in Angriff nimmt. Sagen wir er callt vor dem Flop mit den besten 20 % aller Hände [AA-66, AK-A6, KQ-K9, QJ, QT, JT] und setzt auch mit allen nach dem Flop, egal wie dieser aussieht. Das heisst er macht den o.g. Einsatz sowohl mit AA als auch mit JT!
Wir müssen nun herausfinden ob wir callen können oder nicht, bzw. wie unsere Hand gegen seine Hand-Range dasteht. Die Antwort ist gut genug! Mit KK haben wir bei diesem Flop und seiner Hand-Range 60 % Siegchancen. Wir könnten auch hier allin gehen und würden langfristig gewinnen. Ein Call ist auf jeden Fall auch zu rechtfertigen, das einzig falsche wäre ein Fold bei 2:1 Pot Odds und 60 % Equity gegen seine möglichen Hände!
Eine häufige Situation vor dem Flop ist folgende:
Wir spielen ein No Limit Pokerturnier und haben ein paar Shortstacks am Tisch, die aber sehr tight sind und sich ins Geld retten wollen. Wir haben einen Big Stack und üben ununterbrochen Druck aus. Die Blinds sind 200/400, wir finden 65s im Cut-Off und erhöhen auf 1300. Alle folden zum Big Blind, der mit 2800 allin geht. Wir müssen 1500 bezahlen um einen Pot von 3700 zu gewinnen. Das sind etwa 2,5:1 Pot Odds.
Nun gilt es herauszufinden gegen welche Hand-Range wir antreten. Der BB war bisher recht tight, aber scheint inzwischen die Nase voll zu haben ständig geraised zu werden. Folgende Hand-Range sollte eine gute Annahme sein: [AA – 77, AK – A9, KQ, KJ]
Nun müssen wir noch herausfinden, ob ein Call in dieser Situation richtig ist. Hierfür gibt es ein Programm namens Pokerstove mit dem sich alles sehr einfach berechnen lässt. Am Tisch hat man dieses Programm natürlich nicht, deswegen sollte man diverse Szenarien durchgehen um ein Gefühl dafür zu bekommen.
Um es gleich aufzulösen: Wir haben 34 % Equity und dürften bei Pot Odds von 2:1 und besser callen. In unserem Fall bekommen wir 2,5:1 und haben damit einen Easy Call.
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