Michael Berkholz: Hallo Gus, wie gefällt dir München bzw. Deutschland?
Gus Hansen: Es ist ok. Ich war meist die ganze Zeit beschäftigt und musste mich um andere Dinge kümmern und hatte keine Zeit mir die Städte anzuschauen. Aber ich bin sowieso kein großer Fan von Stadtrundfahrten und dem ganzen Kram.
MB: Du warst zu beschäftigt um auch nur irgend etwas anzuschauen?
GH: Naja, es war schon so etwas wie eine Geschäftsreise hier. Ich komme aus Dänemark, bin also von dem her ein Nachbar und mir ist Deutschland nicht fremd – ich habe Deutsch in der Schule gelernt. Und jetzt fange ich an, es langsam immer mehr zu mögen. Wenn ich hier Fernsehen schauen, verstehe ich einige Wörter. Das ist das schön, wenn ich verstehe was z.B. Eddie Murphy sagt.
MB: Sicher schöner als seine Stimme…
GH: (lacht) Ja richtig, das ist schon irre. Habe mir letztens zufällig einen Film mit Arnold Schwarzenegger angeschaut und er hatte dort nur irgendeine andere deutsche Stimme die dann (Gus auf Deutsch) „Hände hoch“ sagt. Es ist ein bisschen seltsam, aber mein Deutsch wird immer besser je mehr Zeit ich hier verbringe. Und es ist schön etwas zu verstehen, was die Leute hier sagen.
MB: Apropos Schwarzenegger. Du wirst also irgendwann wieder nach Deutschland zurück kommen?
GH: I’ll be back.
MB: Sehr gut, man muss Steilvorlagen auch nutzen können. Lass uns den Ball einmal nach Vegas spielen. Dort wurdest du dieses Jahr beim WSOP Main Event von ESPN gefilmt, wie du nach bestimmten Händen etwas auf Dänisch in dein Diktiergerät gesprochen hast. Was für Ideen hast du dort gespeichert? So etwas wie „Ich hab keine Milch mehr im Kühlschrank. Auf dem Heimweg muss ich noch eine kaufen?“
GH: Nein nein, das war alles nur aufs Pokern bezogen.
MB: Ach so, ich dachte schon dein Gedankengang war: „Wenn ich nur irgendetwas in dieses Thermometer brabbel, wird ESPN das schon im Fernsehen zeigen.“
GH: (schaut mich irritiert an) Nein, es ging wirklich nur um Hände die ich gespielt habe. Davon habe ich dann einige aufgezeichnet. Ich schreibe zur Zeit ein Buch und bin fast damit fertig. Für dieses Buch benutze ich auch das Material von meinem Diktiergerät.
MB: Darin wird dann sicher viel Mathematik vorkommen. Du hast ja vor deiner Pokerkarriere erfolgreich Backgammon gespielt, wo viel berechnet wird. Abgesehen davon, dass du oft mit zwei beliebigen Karten Poker spielst, rechnest du von allen Pokerspielern am meisten – hast du selbst öfter behauptet…
GH: Ja, genau! Ich glaube, das liegt einfach daran, dass die Leute eine falsche Ansicht haben, wie stark bestimmte Hände sind. Wenn du z.B. im Big Blind bist und jemand vom Button ein kleines Raise macht, muss er nicht gleichzeitig eine starke Hand haben. Er kann das mit jeder Hand machen. Wenn man dann im Big Blind gute Potodds bekommt, vielleicht sogar 3:1, warum sollte ich dann nicht mit meinen Karten callen können? So grundsätzlich hab ich dann eine 75o, was keine tolle Hand ist, aber mit Quoten von 3:1 gegen zwei beliebige Karten ist das ein guter Preis. Das kannst du Mathematik nennen und Leute sagen „langfristig wirst du Geld verlieren, wenn du 75o spielst“. Ich aber glaube, dass du langfristig Geld gewinnen wirst, wenn du 3:1 bekommst gegen eine Erhöhung in später Position. Hat jemand dagegen in früher Position erhöht macht es Sinn 75o im Big Blind zu folden, weil seine Hand wahrscheinlich deutlich besser ist. Es hängt also von der Situation ab, aber eben auch von Quoten – einfach eine Mischung aus vielem. Deshalb kannst du die Mathematik nicht weglassen, sie ist ein Teil des Spiels.
MB: Kommen wir noch einmal zurück zu diesjährigen WSOP. Dort bist du an einem Tag des Main Events halbnackt aufgetaucht…
GH: Mmh, ja. Ich war zu spät dran. Ich bin der beste Pokerspieler der Welt, wenn es darum geht zu spät zu kommen. Das war alles. Am ersten Tag macht es mir nichts aus zu spät zu kommen, aber am zweiten oder dritten Tag gibt es höhere Blinds und Ante. Meistens soll das Spiel Mittags um 12 Uhr losgehen, aber dann fängt es doch erst um 12 Uhr 15 an. Ich kam irgendwann dazwischen ins Casino, vielleicht 12 Uhr 10, weil ich schon so ein Gefühl hatte, dass sie vielleicht rechtzeitig anfangen würden. Und da hatte ich mein Hemd noch nicht an – das ist mir aber egal, ich hab es einfach mitgenommen und dort angezogen, als ich am Tisch saß.
MB: Wie weit entfernt vom Rio wohnst du denn, dass du keine Zeit hattest dich anzuziehen, bis du angekommen bist?
GH: Nun… Ich bin mit dem Auto dorthin gefahren und hab es während ich gefahren bin geschafft meine Socken, Schuhe und Hosen anzuziehen. Ganz offen und ehrlich, so war es.
MB: Und ich dachte schon „So sieht Gus Hansen nach einem One Night Stand aus!“
GH: Nein, nein. Das war echt so wie ich es gesagt habe. Einfach nur spät dran. (Und dann auf Deutsch:) „Ein bisschen spät.“
MB: Du bist als Spieler bekannt, der gerne mal was riskiert. Wie sehr hast du zu Beginn deiner Karriere auf dein Bankroll Management geachtet oder wie oft warst du schon pleite?
GH: Ich bin wahrscheinlich der schlechteste Bankroll Manager auf der Welt. Offensichtlich hatte ich mich nicht sehr viel damit beschäftigt. Ich weiß, ich hätte es tun sollen. Ich bin schon besser geworden, aber immer noch ziemlich schlecht darin. Man sollte das auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen. Wer auf seine Bankroll achtet, kann gefährliche Situationen, aus denen man sich heraushalten sollte, vermeiden. Die Erfahrung musste ich erst selber machen. Ich bin noch immer schlecht darin, aber ich werde besser. Und haben wir nicht alle etwas, worin wir uns verbessern können? Es ist definitiv ein wichtiges Thema.
MB: Würdest du also behaupten, dass du einfach nur Glück hattest, um jetzt ganz oben mitspielen zu können?
GH: Ein wichtiger Punkt bei meiner Art von Bankroll Management ist, dass ich nie Angst hatte Geld zu verlieren oder riskanter zu spielen. Noch etwas! Ich habe ein paar Level übersprungen. Wenn du einen normalen Pokerspieler nimmst, der auf einem Level anfängt und du dann das höchste Level ansiehst, das vielleicht sechs oder acht Level höher ist, als der Startpunkt. Ich habe dabei wahrscheinlich Level 2 und Level 4 ausgelassen und bin schneller aufgestiegen. Ich konnte meinen Bankroll vom Backgammon nutzen und ich denke es hat mir geholfen schneller mehr zu lernen. Du lernst mehr, wenn du mit besseren Spielern spielst. Es ist einfach eine Möglichkeit schneller zu lernen, wenn man Level überspringt, aber natürlich auch viel gefährlicher. Das war einfach der Pfad den ich ausgewählt habe. Ich würde das zwar nicht unbedingt empfehlen, aber du musst nicht immer machen was alle sagen, wenn dir dein Gefühl etwas anderes sagt. Und wenn du es auf dem höheren Level nicht schaffst, dann gehst du einfach wieder eines zurück. So einfach ist das. Ich habe einfach ein paar Level übersprungen und nun (schaut auf mein T-Shirt) spreche ich mit pokerbibel.de. Also: alles ist gut.
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