In diesem Artikel möchten wir dir zeigen was es mit Implied Odds auf sich hat. Implied Odds sind vor allem für No-Limit und Pot-Limit Spieler wichtig. Im Folgenden zeigen wir dir die theoretischen Hintergründe. Um das Konzept der Implied Odds zu verstehen ist aber vor allem Erfahrung und Spielpraxis wichtig. Die kannst du dir entweder bei einem unserer Pokerräume holen, oder beim Anschauen von Coaching Videos. Hier findest du eine Auflistung von Seiten, die kostenlose Coaching Videos anbieten!
Was sind Implied Pot Odds?
Mit den Pot Odds bezeichnet man das Verhältnis zwischen dem zu bringenden Betrag und dem derzeitigen Pot/Gewinn. So wichtig Pot Odds auch sind, genauso unwichtig können sie werden wenn die sogenannten Implied Odds ins Spiel treten. Implied Odds ist der potentielle Gewinn, der sich nach Vervollständigung der Hand machen lässt. Ein einfaches Beispiel am Turn:
Wir haben einen Open Ended Straight Draw, sprich 8 Outs. Der Gegner geht allin und gibt uns damit 3:1 Pot Odds. Da die Odds uns zu verbessern etwas mehr als 4:1 sind, wäre ein Call auf lange Sicht unprofitabel.
Was passiert aber, wenn der Gegner nicht allin geht und am River noch weiteres Geld gesetzt werden kann? Dann spielen die Implied Odds (ab sofort mit IO abgekürzt) eine Rolle. Sagen wir der Einsatz ist 500 und im Pot sind 1000 (= Pot Odds von 3:1) und beide Stacks sind tief genug. Unser Gegner ist eher loose und macht teilweise sehr schlechte Calls. Nun wäre es ein großer Fehler zu folden, da sich nach Vervollständigung der Hand noch einiges an Chips gewinnen ließe. Angenommen wir können dem Gegner noch 1000 aus der Tasche ziehen und das ist wegen seiner Call-Tendenz sehr realistisch, so zahlen wir 500 um 2500 zu gewinnen und nicht nur 1500! Die Implied Pot Odds sind demnach 5:1 und ein eindeutig schlechter Call wird zu einem guten.
Der Faktor Gegner
In unserem Beispiel war der Gegner loose und hat viele schlechte Calls gemacht. Dieser Gegner ist natürlich ideal um gemolken zu werden! Was ist aber mit einem Gegner, der perfekt spielt, so als ob er unsere Karten sehen könnte? Bei diesem Spieler gibt es keine Implied Odds, er würde einfach folden nachdem wir den Draw getroffen haben. Das Gegenteil ist ein Spieler, der einfach alles callt. Ihn gibt es genausowenig wie den perfekten Spieler, deswegen ist das nur ein Modell um die Bewertung der Implied Pot Odds zu veranschaulichen.
Der Faktor Stack
Wie in unserem Beispiel gesehen gibt es keine Implied Pot Odds bei einem Spieler, der Allin ist. Es ist kein Geld mehr zu gewinnen nachdem der Draw komplettiert wurde. Es kann auch sein, dass ein Spieler zu wenige Chips hat um für genügend Implied Pot Odds zu sorgen, unabhängig davon wieviel dieser callt. Deswegen gilt vereinfacht gesagt: Je mehr Chips noch zu setzen sind, desto größer sind die Implied Pot Odds!
Perfekter Spieler und Ultrafisch
Beide Faktoren gilt es in der Einschätzung der Implied Pot Odds zu berücksichtigen. Ein perfekter Spieler bietet keine Implied Pot Odds, auch wenn er zigmillionen an Chips hat. Genausowenig sind die Implied Pot Odds bei einem sehr loosen Spieler vorhanden, wenn dieser kaum noch Chips übrig hat.
Die Stacks abzuschätzen ist eine relativ leichte Übung. Schwierig wird es beim Gegner! Deswegen möchte ich eine Skala einführen, die uns bei diesem Artikel behilflich sein wird:
0 : Perfekter Spieler (PP, perfect player)
0,5 : Durchschnittlicher Spieler, der sich nur von 50 % seiner gemachten Hände trennen kann (DS)
1 : Ultrafisch, ein Spieler, der einfach alles callt (UF)
In der realen Welt werden die Spieler nicht so einfach in 0, 0,5 oder 1 eingeteilt, sondern möglichst genau eingeschätzt. Ein Spieler, der wirklich sehr loose ist und sich von nahezu keiner gemachten Hand trennen kann, erhält den Faktor 0,8 oder 0,9. Ein sehr guter Spieler, dessen Hand-Reading Fähigkeiten unglaublich ausgeprägt sind und der starke Lay-Downs machen kann, sollte mit Faktor 0,1 – 0,3 gut eingeschätzt sein. Ein Spieler, der teilweise loose Calls macht, aber auch ohne Probleme von Bottom Pairs und dergleichen los lassen kann entspricht etwa Faktor 0,5 und 0,6.
Diese Abschätzungen können nicht genau sein, aber es ist auf jeden Fall wichtig den Spieler in etwa einordnen zu können.
Erwartungswert der Einsätze
Ein Prinzip, das nicht nur in Sachen Implied Pot Odds unglaublich wichtig ist, ist der Erwartungswert eines Werteinsatzes. Angenommen wir haben die Nuts am River und möchten gerne soviele Chips wie möglich bekommen. Es sind 1000 im Pot und beide Stacks sind bei 10 000. Wie finde ich den besten und profitabelsten Einsatz? Es gilt die Wahrscheinlichkeit einzuschätzen, dass der Gegner einen entsprechenden Einsatz callt. Schauen wir uns vier Einsätze an:
100
500
1000
10 000
Mit welcher Wahrscheinlichkeit callt er die jeweiligen Einsätze? 100 wohl immer, sprich 100 %.
500 in den allermeisten Fällen, wohl etwa 80 %. 1000 ist schon deutlich mehr und er sollte nur noch zu etwa 50 % callen. Ein Allin mit 10 000 ist eine riesen Overbet, die er nur callen wird, wenn er eine brutal starke Hand hat. Viele Spieler callen nur mit den Nuts, manche aber auch mit den zweiten oder dritten Nuts. Die Wahrscheinlichkeit sollte zwischen 5 und 10 %, sagen wir 8 % liegen.
Nun muss der Erwartungswert errechnet werden:
100 callt er zu 100 %, deswegen gewinnen wir auf jeden Fall 100 (100 x 1 = 100)
500 callt er zu 80 %, deswegen gewinnen wir: 500 x 0,8 = 400
1000 callt er jedes zweite Mal und wir gewinnen: 1000 x 0,5 = 500
10 000 callt er nur zu 8 %: 10 000 x 0,08 = 800
Nach dieser Rechnung wäre das Allin mit 10 000 der beste Einsatz. Da es aber schwierig ist einzuschätzen, ob die 8 % richtig sind, schwankt dieser Wert erheblich und könnte auch „nur“ 200 betragen. Der Einsatz ist deswegen so profitabel, da die Auszahlung für den Fall, dass wir gecallt werden so unglaublich hoch ist!
Der Einfachheit halber vernachlässigen wir dieses Allin ab sofort und schauen uns die „normalen“ Einsätze an.
Der Erwartungswert der 1000-Bet ist am höchsten, deswegen würde dieser langfristig mehr Gewinn einbringen, auch wenn wir mit der 100-Bet immer gewinnnen würden!
Perfekter Einsatz für Implied Pot Odds
Mit dieser Rechnung lässt sich leicht herausfinden was der mathematisch korrekte Einsatz ist. Dieses Prinzip gilt nicht nur bei den Nuts am River, sondern auch bei den IO!
Machen wir hierfür ein kleines Beispiel:
Wir haben einen Flushdraw am Turn, im Pot sind 1000 und der Gegner setzt 500. Wir bekommen Pot Odds von 3:1, ohne IO nicht genug. Die Frage, die sich hier stellt: Wie hoch muss der Gewinn am River nach dem Vervollständigen des Draws sein um einen Call am Turn profitabel zu machen?
Die Odds für den Flushdraw sind etwa 4:1, bei 4:1 Pot Odds wäre der Break Even Point. 500 müssen gecallt werden, deswegen sollten insgesamt mindestens 2000 in den Pot kommen. Es müssten am River also nur 500 zusätzlich gesetzt werden. Gegen einen PP wäre das nicht möglich, da er sofort folden würde, wenn die Flushkarte auftaucht. Gegen einen DS ließe sich nur jedes zweite Mal 500 bei einem Einsatz von 500 gewinnen. Er würde zu 50 % callen, ein Spieler mit Faktor 0,3 würde nur zu 30 % callen usw. Also gegen welchen Spieler müssten wir antreten, dass wir mit einem Einsatz von 500 auch den Break Even Point erreichen? Nur gegen den US! Ein weniger looser Spieler mit Faktor 0,8 würde nur zu 80 % callen und 500 x 0,8 ergibt eben weniger als 500. Mit diesem Einsatz und diesem Gegner wäre ein Call am Turn nicht profitabel!
Es gilt also herauszufinden mit welchem Gegner wir es zu tun haben und welchen Einsatz wir tätigen müssen um den Break Even Point zu überschreiten!
Bleiben wir beim obigen Beispiel und nehmen an, dass der Gegner ein Spieler mit Faktor 0,5 ist. Um die 500 zu gewinnen und einen Call profitabel zu machen, wäre ein Einsatz von 1000 nötig.
Gegen einen Faktor 0,25 Spieler wäre eine 2000-Bet das Minimum!
Ich hoffe du siehst wie wichtig der Gegner-Faktor eigentlich ist und wie sehr er die Implied Pot Odds -Entscheidung beeinflusst.
Erwartungswert maximieren
Soeben haben wir uns angeschaut mit welchem Einsatz der Break Even Point erreicht ist um einen Call profitabel zu machen. Angenommen wir befinden uns wieder in folgender Situation: Wir haben einen Flushdraw am Turn, im Pot sind 1000 und der Gegner setzt 500. Wir bekommen Pot Odds von 3:1, ohne Implied Pot Odds nicht genug. Da wir es mit einem Faktor 0,7 Gegner zu tun haben und bereits ein Einsatz von 800 gewinnbringend ist, callen wir und treffen den Flush am River.
Wie bereits gesagt muss der Gegner die 800 zu 70 % callen, ansonsten war unsere Entscheidung am Turn falsch.
Nun haben wir aber die Hand vervollständigt und möchten soviel wie möglich gewinnen. Das Minimum ist 800, aber was ist das Maximum? Im Prinzip geht es wie bereits erwähnt darum den Erwartungswert zu maximieren, nur gibt es hierzu sehr viele Faktoren, die berücksichtigt werden müssen. Mit dem Gegner-Faktor verfügen wir über eine gute Einschätzung der gegnerischen Call-Bereitschaft, allerdings ist dieser Wert von Situation zu Situation verschieden. Z.B. gibt es Faktor 0,5-Gegner, die zwar etwa jeden zweiten Einsatz callen, aber absolute Angst vor Flushes haben und beim Auftauchen der Flushkarte sofort folden.
Auch gibt es Faktor 0,5-Gegner deren Hand-Reading Fähigkeiten stark ausgeprägt sind, aber bei guten Pot Odds jeden Einsatz callen, auch mit der Absicht Informationen zu gewinnen. Oder ein Spieler, der weiß, dass wir mit Implied Pot Odds arbeiten und deswegen mit einem Draw callen können, der alleine durch die Pot Odds nicht ausreichend ist.
Eine genaue Analyse in dieser Richtung würde einfach viel zu tief in die Materie eintauchen und wohl mehr Spieler verwirren als dass es ihnen weiterhilft. Deswegen bleibt es dabei den Spieler grob zu klassifizieren nach allgemeinen, erwähnten Kriterien und zu versuchen mindestens den Betrag in die Mitte zu bekommen, der notwendig ist um den Call in der vorherigen Runde zu rechtfertigen.
Implied Pot Odds an Turn und River
Natürlich stellt sich auch schon öfter am Flop die Frage nach den Implied Pot Odds und ob ein Call korrekt sein kann, wenn die Pot Odds eine andere Sprache sprechen.
Es gilt zwei Fälle zu klassifizieren:
Treffen des Draws am Turn und Bezahlen am Turn und Treffen des Draws am River.
Der erste Fall ist natürlich wegen zwei Gründen der bessere: Einmal muss man an Turn keinen Cent investieren um weiter drawen zu dürfen und zum zweiten lässt sich sowohl an Turn, als auch am River Geld machen.
Welcher Gedankengang muss demnach am Flop erfolgen, wenn man seine Implied Pot Odds beurteilen möchte? Zuerst sollte man Fall 2 durchgehen, da dieser wahrscheinlicher ist. Wichtig sind die Pot Odds für Flop und Turn. Spieler A hat einen Gutshot am Flop und Spieler B setzt 100 in einen Pot von 400. A bekommt 5:1 Pot Odds.
Am Turn wäre der Pot 600 und B würde wohl etwa 200 setzen. A bekäme 4:1 Pot Odds. Am River wäre der Pot 1000. A muss demnach 100 + 200 riskieren um 700 gewinnen zu können. Die Odds den Gutshot an Turn und River zu komplettieren sind grob gesagt 4:1. Wie groß muss der Einsatz am River also sein um einen Call an Flop und Turn zu rechtfertigen? 300 x 4 = 1200 muss A mindestens gewinnen um den Break Even Point zu erreichen. Ohne Einsatz am River würde er nur 400 + 100 + 200 = 700 gewinnen. Demnach muss er noch einen Einsatz von 500 machen um den Break Even Point zu knacken! Der Gegner bekäme dann zumindest 3:1 Pot Odds was einen Call sehr wahrscheinlich macht.
Das ist sozusagen das worst case Szenario: Callen an Flop und Turn um gerade noch genügend Wert am River herauszubekommen. Viel gemütlicher sieht die Situation aus, wenn der Draw bereits am Turn vervollständigt wird. Denn hierfür ist nur ein schlechter Call am Flop nötig und es gibt zwei Setzrunden um Chips zu gewinnen. Am besten geht man vom worst case Szenario aus, dann macht man auf keinen Fall zu optimistische Calls und verliert damit einige Chips!
Implied Pot Odds vor dem Flop
In No Limit gibt es häufig Situationen in denen sich ein schlechter Call vor dem Flop nur wegen den Implied Pot Odds sehr profitabel entwickeln kann! Spielen wir z.B. ein Cash Game mit tiefen Stacks (>100 BB) und haben einen 100 %-igen Tell, dass Spieler A Asse hat, alle folden zu Spieler B im BB mit 22, so sollte er auf jeden Fall einen einfachen Raise callen und das nur wegen Set Value, den möglichen Gewinn, wenn B sein Set am Flop trifft. 22 sind gegen AA etwa ein 4:1 Underdog. Raised A bei ½ NL auf 6 € und B callt, so würde B nach der Fundamental Theorem of Poker einen schlechten Call machen und langfristig einiges an Geld verlieren. Lässt sich aber damit rechnen, dass A nicht von seinen Assen loslassen kann und bei einem Flop von 42T alle seine Chips riskiert, so ist der kleine Fehler vor dem Flop minimal und zu vernachlässigen!
Um seine Implied Odds vor dem Flop zu beurteilen, gilt wieder der Gegner-Faktor und die Stacktiefe. Hätte Spieler A mit seinen beiden Assen nur 20 € in Chips, so wäre ein Call mit 22 ein sehr schlechter, wenn Spieler B nur auf Set Value spielen möchte. Der Gewinn der restlichen 14 € rechtfertigt keinen Call von 4 € als 4:1 Underdog!
Überschätzung von Implied Pot Odds
Viele Spieler verlieben sich in ihre Implied Pot Odds und callen alles mögliche, weil sie glauben nach dem Treffer genug Chips zu machen. Diese Annahme ist nur sehr selten richtig. Es müssen einige Faktoren zusammenspielen um einen schlechten Call wegen der Implied Pot Odds zu einem guten zu machen.
Der größte Fehler, den sehr viele begehen ist der, einfach die jeweiligen Stacks zu vergleichen. Natürlich spielt man in vielen Fällen um den ganzen Stack des Gegners, aber dieser wird eben nicht immer bereit sein alle seine Chips zu setzen. Die sogenannten Stack Odds müssen schon deutlich größer sein als die Odds um die jeweilige Siegerhand zu machen!
Ja, No Limit ist ein Spiel von Implied Odds, aber deswegen rechtfertigt das nicht jeden Call, nur weil die Möglichkeit besteht noch einige Chips zu gewinnen! Der Gegner-Faktor und der Stack-Faktor müssen zusammen passen, dann lässt sich beurteilen ob die nötigen Implied Pot Odds gegeben sind, oder nicht.
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